Daria, 26 Jahre, ist in der Ukraine geboren. Sie ist studierte Dolmetscherin für Englisch, Spanisch, Russisch und Ukrainisch. Nach vielen Reisen und Jobs in anderen Ländern, war sie zunächst Au-pair in Köln und macht nun seit Januar ein FSJ in einem Altenpflegeheim. Das Angebot des FSJ war auch deshalb interessant, weil es für Daria immer wichtig war, mit anderen Menschen zu arbeiten. Sie hat inzwischen sehr gut Deutsch gelernt und bemüht sich um ein Visum in Deutschland, um Ihre Karriere im Bereich Dolmetschen und International Business vorantreiben zu können.
- Was heißt für Sie „Alt sein“?
Ich habe keine Oma und Opa, weil sie gestorben sind, als ich etwa zwei Jahre alt war. Alt sein war früher etwas Negatives für mich, denn ich komme aus der Ukraine, und mit unserer politischen Institution haben alte Leute nicht viel Rente. Sie haben kein Geld für Essen oder wenn sie etwas Nettes sehen. Das tat mir immer so leid, sie hatten kein Geld und konnten sich auch nicht helfen lassen. Es waren auch viele alte Leute krank und so war es für mich immer etwas Negatives. Ab wann ist man alt? Das ist kompliziert. In der Ukraine sind sie mit 65 alt, weil unsere Leute arbeiten so viel in Fabriken, in der Mineralogie, oder als Bauern. Das ist nicht gut für Haut und Haare, und wir haben viele Krebsfälle. Bei uns sehen die Menschen älter aus als sonst in Europa. Mit 65 sind sie alt, sie haben viele Krankheiten. Aber hier würde ich sagen wäre das eher mit 75. Hier sind viele Leute mit 60 und 65 noch sehr aktiv, verreisen nach Ibiza oder gehen ins Fitnessstudio.
- Nennen Sie fünf Begriffe, die Ihnen spontan zu Ihrer Zeit in der Altenpflege einfallen.
Demenz – glücklich – Tod – Oma/Opa – Hilfe
Mit „glücklich“ verbinde ich: ich bin eine sehr emotionale Person. Wenn ich hierher komme, ist das nicht nur eine Arbeit. Es ist etwas Besonderes. Wenn ich hier bin, fragen alle: „Hast du gegessen? Hast du gut geschlafen, Daria?“ Das bringt mir positive Emotionen. Manchmal wenn ich hierher komme, bin ich richtig glücklich. Ich bin glücklich, wenn sie glücklich sind. Eine Frau hat immer die Tasche auf der rechten Seite vom Rollstuhl und hat immer schöne Haare und Lipstick. Viele vergessen das, und ich bin dann immer da und wir machen Lipstick und alles schön. Wenn sie glücklich ist, bin ich glücklich. Ok – das sind so kleine Sachen, aber das bringt mir viele Emotionen, ja. Zum Beispiel ist hier auch eine Bewohnerin, die hat immer Angst. Sie ist allein und ist Pflegebewohnerin, sie kann nicht laufen. Sie ist immer im Zimmer und manchmal ruft sie: „Schwester, Schwester ich habe Angst!“. Und ich weiß, sie hat immer diese Angst, und wenn ich Zeit habe, auch nur mal zwei, drei freie Minuten gehe ich zu ihr und sage: „Sie sind nicht alleine, ich bin immer auch hier – ich bin da!“. Und sie sagt dann so: „Danke vielmals!“ Das sind so kleine Sachen, aber sie sagt: „Das macht mich so glücklich, danke, dass Sie hergekommen sind.“ Das macht mich auch glücklich. Wissen Sie, ich arbeite mit Herz. Ich kann nicht so arbeiten: zack, zack, zack und Tschüss. Ich arbeite mit Herz und ja – das ist gut!
- Welche besondere Begebenheit während Ihres FSJ fällt Ihnen ein, die Sie nie vergessen werden?
Das ist hier wirklich eine gute Atmosphäre, weil ich denke, das Haus ist gut mit den Angestellten und den Kollegen. Ich finde das wirklich positiv, dass ich keinen Stress habe mit Kollegen. Weil ich bin eine starke Person, wenn ich sage, ich mag etwas nicht, dann sage ich, ich mache das nicht – auf Wiedersehen. Und hier ist gut, weil alle nett sind. Wenn ich irgendwo anders gearbeitet habe, sagen die, weil ich Ausländerin bin: „Du bist nicht Deutsch. Was machst du hier? Ich bin deutsch, ich bin hier der Boss.“ Aber hier ist es egal, ob du deutsch bist, oder Afrikaner oder Ukrainer. Die Leute hier bringen mir gute Emotionen.
Als negativ fällt mir auf: ich arbeite mit viel Herz, habe ich gesagt, und das ist nicht gut für diese Arbeit. Viele Leute sind verstorben und für mich ist das immer Stress. Ja, weil ich weine zwei Tage – oh Gott – und die Leiterin vom sozialen Dienst oder andere sagen dann, Daria alles ist ok. Aber ich bin diese Person. Ich kann nicht sagen, ich bin auf der Arbeit, ok ich mag dich, aber ich bin auf der Arbeit. Wenn ich eine Person mag, dann mag ich sie. Ich habe viel hier geweint, wenn Leute verstorben sind und ich denke dann, oh mein Gott, warum? Ich verstehe, so ist das Leben, viele sind krank hier und kommen hier nicht hin, um eine Party zu feiern – natürlich nicht.
Hier war ein Bewohner, er ist tot. Es tut mir leid, er war mein Lieblingsbewohner, ich weiß nicht warum, er war mit diesen großen blauen Augen und ich glaube ich vergesse ihn nie in meinem Leben. Er war auch ein bisschen dement, aber er war immer mit Humor. Und er sagte immer: „Oh, mein ukrainischer Schatz, gehen wir tanzen.“ Und er saß im Rollstuhl! Und dann sagte er: „Oh, du siehst aus wie meine Frau, als sie jung war.“ Und er war immer essen nur mit mir. Die Altenpflege sagte immer, Daria, kannst du bitte zu Herrn X gehen, und mit dem Essen helfen, er isst nicht mit uns. Aber wenn ich komme, dann isst er immer. „Ich möchte nicht essen, aber ich esse, weil du gekommen bist.“ Und diesen Mann vergesse ich nie, denke ich. Als ich hörte, er war gestern verstorben – das habe ich gehört, aber nicht verstanden. Wie bitte? Ich kann nicht arbeiten, ich kann gar nichts machen, ich brauche Luft, weil das wirklich ein Schock für mich war. Doch, mir stand jemand zur Seite, das war ok. Ich konnte auch mit M. sprechen und sie sagte, für diesen Herrn ist es besser, er hat da jetzt Ruhe und wenn Du dann glücklich bist, und er guckt auf Dich vom Himmel, dann ist das gut. Aber wenn du weinst – das ist auch nicht gut. Du musst es lassen. Aber das ist kompliziert. Nein es hätte mir nicht geholfen, ihn nochmal zu sehen, als er gestorben war. Nein, ich kann das nicht. Nein, das ist kompliziert. Einmal habe ich eine verstorbene Frau gesehen, weil ich mit einer anderen Bewohnerin hingegangen bin. Die hat halt auf Widersehen gesagt, und ich habe gesagt, ja – ich möchte mitkommen. Aber danach habe ich gemerkt, das ist sehr kompliziert für mich, weil ich habe nie in meinem Leben verstorbene Personen gesehen. Bis ich hierhergekommen bin. Wenn ich es nicht sehe, ist es auch kompliziert für mich, aber wenn ich es sehe, bin ich im Stress.
- Gibt es für Sie Vorbilder, wenn Sie ans Altwerden / Alt sein denken? Was imponiert Ihnen bei alten Menschen?
Es ist toll, wenn eine Person wie mein Vater ist, er ist nicht alt, aber auch nicht mehr jung. Wenn ich ihn sehe, denke ich, das ist toll. Er hat auch Probleme mit dem Herzen und dem Rücken und alles, aber er arbeitet und sagt nicht: „Oh, ich bin krank, mein Gott.“ Er sagt immer: „Ah, ich bin ok.“ Oder wenn ich ihm sage, leg dich doch mal hin, sagt er: „Ich liege, wenn ich tot bin.“ Ich mag, wenn eine Person superaktiv ist und positiv. Wenn ich morgens Frauen laufen sehe, denke ich, die sind älter als ich, und ich laufe nicht. Ich denke, ein Vorbild für mich ist, wenn du alt bist, aber du bist jung im Kopf.
- Was bedeutet für Sie „Weisheit im Alter“?
Ich weiß das nicht, glaube ich. Natürlich, sie sind alt, sie haben ein langes Leben gewonnen, sie haben viel gesehen. Aber – das ist schwierig, das kann ich nicht sagen. Für mich weiß ich das nicht, was weise ist. Nein, ich weiß das nicht.
- Nennen Sie drei Charaktereigenschaften, die Sie im Alter besonders wichtig finden.
Ein bisschen Aggressivität manchmal? Um besser klar zu kommen, vielleicht. Manchmal sind die Bewohner aggressiv, wenn sie dement sind. Manchmal sind alle glücklich und dann plötzlich zum Beispiel: hier steht ein Glas, das ist in einer anderen Farbe, als sie möchten und ich weiß nicht, welches sie möchten. Und dann kommt: „Wo ist mein Glas?“ oder manchmal: „Nein, ich möchte gar nichts – geh weg, geh weg!“ Aber danach ist wieder alles gut, alles ist in Ordnung. Ja und dann sind viele Leute wie Oma und Opa, sie sagen: „Ah, hast du etwas gegessen, wieviel hast du geschlafen? Das geht nicht – geh du schlafen.“ Oder wenn ich im Speisesaal bin und eine Bewohnerin sagt: „Ich helfe Dir.“ Und ich sage, nein, ich kann das alleine machen, sitzen Sie in Ruhe. Und ich komme mit Kaffee oder Tee und sie sagt: „Ich möchte auch arbeiten, ich möchte Dir helfen!“ Ja, das ist wichtig, dass sie etwas beitragen können. Zum Beispiel, wenn ich habe ein Abendangebot, eine Abendrunde. Wenn wir zusammen sitzen und spielen oder trinken etwas und eine Frau bleibt hier. Egal wieviel Uhr es ist, wenn alle fertig sind und in die Zimmer gehen, will sie mit aufräumen. Ich sage: „Frau A., gehen Sie schlafen, ich kann das alleine machen.“ Aber sie sagt immer: „Nein, nein, ich helfe Dir!“ und wissen Sie, dass ist so süß. Das finde ich wirklich nett.
Manchmal sehe ich – aber ich denke auch, ich bin anders, weil ich sehe deutsche Mentalität ist nicht gleich ukrainische Mentalität und ich habe dieses Stereotyp, dass deutsche Leute kälter sind. Und manchmal ich sehe, dass sie kalt sind mit Bewohnern. Zum Beispiel, wenn Frau A. auf Toilette möchte. Wenn du möchtest auf Toilette gehen, du sagst nicht: Warte! Du gehst zur Toilette. Und wenn Sie das nicht selber machen kann, dann auch. Aber dann denke ich, dass ist nicht, weil sie nicht gut sind. Alle sind gut hier und haben ein gutes Herz. Aber ich denke doch, wir haben vielleicht andere Mentalität, weil wir in der Ukraine sagen, wenn eine Person Hilfe braucht, braucht sie Hilfe. Danach kannst du putzen oder aufräumen und alles. Dann geht man und macht das, was wichtiger ist. Manchmal denke ich, deutsche Leute sind kälter als Ukrainer, aber ich weiß das nicht. Aber dann denke ich, wir sind halt nicht alle gleich.
Als ich in Spanien gearbeitet habe, habe ich auch in Charity gearbeitet und war freiwillige Übersetzerin für Krankheitsgeschichten von kranken Kindern – ukrainisch, russisch, polnisch. Wenn zum Beispiel ein Kind krank war und eine Operation brauchte und er hat eine Krankengeschichte auf Russisch oder ukrainisch, aber wir brauchen sie auf Englisch. Dann habe ich das immer umsonst gemacht, weil die Eltern wenig Geld hatten. Ich möchte immer etwas Gutes machen.
- Nennen Sie Farben, die Sie mit Ihrer Zeit in der Altenpflege verbinden.
Ein Regenbogen, weil kein Tag gleich ist. Das ganze Spektrum. Weiß ist nicht dabei, Rot steht für Aggressivität, Rot ist negativ. Gelb ist meine Lieblingsfarbe, Gelb ist „smile“ und glücklich, etwas wirklich Positives. Viele Bewohner sind wie kleine Kinder, und ich mag Kinder sehr. Ich war immer als Privatlehrerin viel mit Kindern zusammen. Mit alten Leuten ist das auch so, dass man mit einer Kleinigkeit eine große Freude machen kann. Zum Beispiel mit einer kleinen Süßigkeit, dann sind sie so glücklich. Und das ist mehr als eine Million Dollar – ja, das ist positiv hier. Gelb ist eine dominante Farbe in meinem Spektrum, das Rot ist eher klein.
Grün ist auch groß. Grün ist für mich, wenn eine Person krank ist, aber danach geht es ihr besser. Ich assoziiere das mit Gras oder Baum. Wenn eine Person krank ist mit Kopfschmerzen, Zahnschmerzen oder Rückenschmerzen, und ich komme am nächsten Tag und ich sehe, Sie sind wieder gesund, dann ist das Grün für mich. Blau und Lila sind neutral. Welche Farbe hat Trauer? Rot auch, ich weiß nicht warum. Rot kann ja auch Leidenschaft sein, aber nicht hier. Hier ist Rot nicht positiv.
Obwohl Aggressivität auch positiv sein kann. Ich bin sehr straight, das war oft ein Problem. In der Ukraine sind die Eltern sehr streng. Ich war immer die Protestperson, das ist mein Leben und ich war immer sehr selbständig. Wenn ich etwas nicht mag oder nicht richtig finde, sage ich das. Auch im Bus, wenn eine Schwangere steht, sage ich dem Jungen: „Kannst Du bitte aufstehen? Wo sind Deine Augen?“ Auch auf der Arbeit würde ich sagen: „Kannst du bitte freundlich mit der Bewohnerin reden?“ Das würde ich auch machen. Wenn ich etwas nicht sage, gehe ich nach Hause, und dann denke ich zu viel und kann nicht schlafen. Aber ich kann nicht am nächsten Tag kommen und es dann sagen. Ich muss es sagen, wenn es aktuell ist, in dem Moment. Bei den alten Menschen bin ich aber immer ruhig. Sie sind alt und krank und ich habe Respekt.
- Gibt es etwas, was Sie besonders traurig gemacht hat?
Ja, der Tod von Menschen.
- Woher nehmen/nahmen Sie die Kraft, wie schützen Sie sich, wie grenzen Sie sich ab, was ist Ihr Ausgleich?
Ich bin Optimist, und wenn etwas Negatives passiert, muss ich ein Plus finden. Und Minus ist zum Beispiel, wenn eine Person tot ist. Sie liegt auf dem Bett und ist krank, sie oder er hat Schmerzen, nimmt immer Medikamente. Er kann nicht essen, er ist frustriert oder ist depressiv, er kann nicht nach draußen gehen, einkaufen. Er kann nicht mit Enkelkindern spielen oder so etwas. Wenn ich traurig bin, muss ich mit einer Person sprechen. Ich möchte dann nicht alleine sein, ich muss Kommunikation haben. Und ich weine immer, ich muss immer meine Emotionen rauslassen und immer sprechen. Ich rufe meine Mutter an, oder eine Freundin. Die anderen FSJler sind alle jünger als ich, sie denken auch anders über Dinge. Ich spreche eher mit den Ausbildern.
Was mir sonst gut tut, ist, etwas Neues zu machen. Ich freue mich auch, dass ich das hier gemacht habe. Ich freue mich, weil ich meine, ich mache etwas Gutes. Als ich nach Deutschland kam konnte ich nur „Hallo“ und „Auf Wiedersehen“, nur zwei Worte, und das war es. Ich praktiziere mein Deutsch jeden Tag. Ich habe dafür keine Schule besucht. Alles was ich lerne, lerne ich so. Ich lerne, was ich höre. Die Sprache zu lernen, ist ein Plus für mich. Und ich reise sehr gerne, ich bin Reise-addicted. Ich habe nicht so viel Geld, aber ich müsste jeden Monat 3-4 Tage nach Spanien oder Italien, Portugal oder auch hier in Deutschland reisen. Wenn ich nicht reise, habe ich eine Depression, ich möchte immer etwas Neues sehen. Deutschland ist ein schönes Land, aber es ist sehr grau, wenig Sonne. Oder mit Freunden feiern oder ins Theater gehen, ins Kino. Ich habe einen guten Ausgleich, aber Reisen ist das Erste, immer.
- Wenn Sie in Ihrem FSJ Zauberkräfte gehabt hätten, wie hätten Sie sie eingesetzt?
Natürlich würde ich wollen, dass alle Leute nicht krank sind. Wenn eine Person im Rollstuhl ist, das ich sagen könnte: Aufstehen! Aber das ist nicht realistisch. Was ich gerne erreichen würde ist, dass alle Bewohner mehr Besuch haben von der Familie. Ich denke, dass ist oft nicht so viel. Zum Beispiel hat eine Bewohnerin 4 Kinder und ich sage, oh mein Gott, Sie haben 4 Kinder, aber ich habe nie gesehen, dass Sie Besuch haben. Das finde ich seltsam, warum ist das so? Manchmal kommt eine Person hierher für 5 Minuten und sagt: „Hallo Mama, ich muss jetzt wieder gehen.“ Aber da ist auch jemand, die sitzt immer mit ihrer Mutter oder Cousine – also eine große Familie – und sie sitzen immer, jeden Tag und sie spielen zusammen. Und ich denke, oh mein Gott, das ist so toll. Natürlich ist es kompliziert, wenn die Bewohnerin hier ist und die Tochter in Berlin. Sie kann dann nicht jeden Tag kommen, aber ich denke, es wäre gut, wenn sie mehr Besuch hätte. Vielleicht wäre ein Psychologe auch gut manchmal, als Vermittler, der Tipps gibt. Vielleicht ist es gut, mal einen Familientag zu machen.
- Wenn Sie sich Ihr eigenes Alter vorstellen, welche Farben sehen Sie?
Das ist kompliziert, weil ich nicht weiß, habe ich dann eine Familie, habe ich Kinder, habe ich ein gutes Leben gehabt, habe ich genug gearbeitet, habe ich genug Geld. Wenn ich optimistisch bin, denke ich natürlich und ich hab einen Mann und Enkelkinder und meine Kinder, und ich habe eine gute Rente. Und ich kann in den Urlaub gehen, dann ist natürlich alles Orange und Gelb.
Aber zum Beispiel, wenn ich alt bin und krank und habe kein Geld und ich bin alleine, keine Kinder, kein Mann, dann ist alles Schwarz. Natürlich möchte ich alles in schönen Farben. Aber ich bin nicht David Copperfield, ich kann nicht wissen, was passiert. Schwarz steht dafür, wenn nichts möglich ist. Schwarz sehe ich hier im Heim nicht, weil sie zu essen haben. Schwarz steht für: ich möchte Brot kaufen und kann es nicht. Oder auf der Straße leben, aber hier sie haben Unterkunft, Essen, sie sind gut gepflegt: gewaschen, saubergemacht, aufgeräumt. Das ist so ok. Zum Beispiel in der Ukraine – ich war noch nie in einem ukrainischen Altenheim, aber ich habe gehört, dass das nicht gut ist. Ein Altenpfleger verdient 100 Euro im Monat. Und sie fragen, wo ist unsere Regierung. Sie wissen dann nicht, warum sie arbeiten sollen. Auf der einen Seite kann ich das verstehen. Ja, das ist Schwarz. Aber hier ist es auch schlecht, wenn man nur liegen kann, nicht nach draußen gehen kann, keinen Besuch bekommt. Aber das ist neutral, das ist nicht Schwarz, denn sie können sagen, ich möchte Schokolade, Mandarinen und ich möchte das und das. Viele Kinder in Afrika haben kein Wasser zu trinken, das ist schwer.
- Wenn Sie zwei Wünsche für Ihren letzten Lebensabschnitt frei hätten, was wäre das?
Jetzt bin ich hier in Deutschland, mache das FSJ, mache Sozialarbeit und ich möchte ein Visum und hier arbeiten! Ich habe etwas Gutes in Deutschland gemacht, warum kann ich dann nicht hier arbeiten? Ich möchte arbeiten und nicht erst hören, dann müssen Sie hier Geld bezahlen und dort Geld bezahlen und alles bezahlen. Wo kann ich all das Geld verdienen? Wenn ich so viel Geld hätte, wäre ich nicht nach Deutschland gekommen. Aber deshalb bin ich hier und nicht in der Ukraine. Die Ukraine ist auch ein schönes Land, ich mag die Ukraine sehr. So, das ist der erste Wunsch. Der zweite Wunsch ist, dass alles gut geht mit meiner Familie, mit meinen Eltern, mit meinem Bruder und seinen Kindern, dass sie alle gesund sind. Ich habe sie seit einem Jahr und 3 Monaten nicht gesehen. In zwei Wochen fahre ich hin, dann habe ich Ferien. Ich habe meine Mutter vor einem halben Jahr gesehen, ich habe ihr zum Geburtstag ein Ticket nach Venedig geschenkt und wir waren zusammen da. Das war für sie eine Überraschung. In zwei Wochen werde ich meine Familie überraschen und hinfahren.
- Was möchten Sie auf keinen Fall erleben, wenn Sie alt sind?
Ich möchte selber lieber tot sein, als im Rollstuhl zu sitzen. Ich möchte nicht 20 Jahre als Invalide sitzen. Für mich möchte ich das nicht. Für mich ist es besser mit 60 oder 70 zu gehen. Ich finde, das ist auch kein Leben, wenn ich immer fragen muss, ich muss gewaschen werden, können sie mir helfen oder wenn ich nicht zur Toilette alleine gehen kann. Manchmal denke ich, dass ist für manche nicht so schlimm, aber ich denke ich bin so eine aktive Person. Und ich möchte, wenn ich alt bin, nicht alleine sein.
- Was stellen Sie sich im Alter unter Glück vor?
Reisen und Familie brauche ich für mein Glück. Ich hoffe, ich habe Familie, die Zeit für mich hat, und ich muss nicht ins Altenheim. Ich bin so ein Mensch. Wenn ich hier mit meinem Mann wäre, ginge das noch. Wir sind nicht alle gleich, jeder denkt anders, aber ich möchte nicht so gern in ein Altenheim. Es ist gut, alle helfen, aber es ist nicht mein Zuhause. Das ist alles toll hier, sie machen Angebote und alles, ich finde das super. Aber das ist nichts für mich. Ich möchte in meinem Haus wohnen, mit meinem Hund, meinem Mann, meinen Kindern. Ich möchte machen, was ich möchte. Ich möchte nicht aufgeweckt werden, weil es Frühstückszeit ist. Hier können Sie auch machen, wie Sie möchten, Sie können auch später essen. Sie können sagen: „Können Sie mir das Essen aufs Zimmer bringen?“ Das geht auch, aber ich glaube, das ist nicht so einfach. Hier gibt es einen Plan und ich möchte nicht nach einem Plan leben, ich möchte wohnen, wie ich wohne. Und nicht: so, jetzt werde ich aufgeweckt, ok – 10 Uhr Sitzgymnastik, ok – Mittagessen, ok – jetzt ist es Zeit zum Zeitunglesen, ok – jetzt vorlesen, ok – ich komm Kaffee trinken, Kuchen essen, schlafen, aufgeweckt. Ich möchte nicht nach Plan wohnen. Das ist bestimmt ok für Frau A. oder B., aber ich bin nicht so. Aber ich denke, das kann eine tolle Hilfe für alte Leute sein. Sie sind nicht alleine, und hier ist so viel Hilfe, duschen, waschen – aber ich möchte das nicht. Ich hätte lieber jemanden, der mir zu Hause hilft.
- Welche Frage würden Sie sich selber stellen?
Die Arbeit gefällt mir gut. Ich weiß, dass das nicht meine ist, das ist nicht das, was ich mein ganzes Leben machen möchte. Ich habe immer in großen Städten gewohnt. Auch in der Ukraine, ich bin aus Lemberg, da sind 2 Millionen Leute, eine wirklich große europäische Stadt. Ich habe in Dnipropetrowsk studiert. Das ist auch eine große Stadt. Dann war ich mit dem Sprachkurs in Dänemark und hatte einen Minijob in Kopenhagen. Danach habe ich Arbeit in Barcelona gefunden. Dann bin ich nach Deutschland gekommen, nach Köln, aber dann nach Neuss und das ist eher eine Kleinstadt. Aber das geht, weil Düsseldorf und Köln hier in der Nähe sind.
Die Arbeit gefällt mir, aber ich weiß nicht, ob ich das immer machen wollte. Ich könnte das. Ein großes Plus ist, dass ich hier Kommunikation habe mit Leuten. Aber als Betreuer im sozialen System kann man nicht viel Geld verdienen. Näher wäre mir, etwas Internationales zu machen mit Business oder International Management, etwas mit vielen Sprachen und viel reisen und arbeiten, viel arbeiten, sonst ist es langweilig für mich.